Verpflichtendes Sozialjahr für Pensionistinnen und Pensionisten? Nein! - Thema der Woche
In Deutschland gibt es eine neue Debatte, angestoßen vom Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher. Er ist dafür, dass Seniorinnen und Senioren ein verpflichtendes Sozialjahr absolvieren - aus Solidarität der jüngeren Generation gegenüber, wie er sagt.
Fratzscher merkte im Spiegel an: „Die ältere Generation muss sich stärker einbringen, beispielsweise im Sozialbereich, aber auch bei der Verteidigung.“ Die Lösungen für Probleme würden meist den jungen Menschen aufgebürdet – sei es in Deutschland bei der Frage um die Wiedereinführung der Wehrpflicht oder beim Fachkräftemangel im Pflegebereich.
Hiesige Medien widmen sich dieses Themas nun auch. Servus TV und die Salzburger Nachrichten haben mich dazu befragt.
Ich habe eine klare Antwort: NEIN zu einem solchen Ansinnen!
Pensionisten arbeiten nicht nur ein Jahr sozial
In Österreich arbeiten Pensionistinnen und Pensionisten nicht ein Jahr sozial, sondern viele Jahre. Sie werken ehrenamtlich, also unentgeltlich – in den Bereichen Kinderbetreuung, Pflege und in Vereinen. Das entspricht einem unbezahlten, aber unbezahlbaren Gegenwert von 8,6 Milliarden Euro jährlich. Daher sollte niemand auf die Idee kommen, ein Pflichtsozialjahr für Pensionistinnen und Pensionisten auch für Österreich einzufordern!
Hierzulande gehen laut österreichischem Freiwilligenbericht (2023) 3,5 Millionen Menschen regelmäßig einer freiwilligen Tätigkeit nach. Das sind fast 50 Prozent der Bevölkerung ab 15 Jahren - davon rund ein Viertel in Vereinen, knapp 37 Prozent informell, also in der Nachbarschaft, oder im Bekanntenkreis.
Im Österreichischen Seniorenbund leisten mehr als 50.000 Seniorinnen und Senioren täglich ehrenamtlich wichtige Arbeit - von gemeinschaftsfördernden Aktivitäten in den Bereichen Sport, digitale Bildung und Kultur bis zu sozialen Angeboten und Rechtsberatung.
Was motiviert sie alle?
- 92,9 Prozent helfen gerne.
- 84 Prozent möchten etwas Nützliches zum Gemeinwohl beitragen.
- Nur 5,5 Prozent erhoffen sich einen persönlichen oder beruflichen Nutzen.
Großes freiwilliges Engagement der Älteren
- Bei den 60- bis 69-Jährigen engagieren sich 51 Prozent.
- Selbst von den 70- bis 79-Jährigen sind in dem einen oder anderen Bereich noch 41 Prozent aktiv.
- Bei den über 80-Jährigen sind es immerhin noch 25 Prozent.
Wie groß ist der Geldwert?
Laut Berechnungen des Österreichischen Seniorenbunds entspricht die Leistung der Generation 60+ im freiwilligen Engagement für ehrenamtliche Arbeit, Freiwilligenarbeit, Angehörigenpflege und Kindererziehung einem Gegenwert von rund 8,6 Milliarden Euro jährlich. Das entspricht dem Bundesbudget für Familie und Jugend (8,8 Milliarden Euro 2024). Oder anders ausgedrückt: Ohne das ehrenamtliche Engagement und ohne die Freiwilligenarbeit (in der Angehörigenpflege und Kindererziehung) der Seniorinnen und Senioren würde es bei unserem Sozialgefüge und dem Pflegesystem in Österreich weit größere Probleme geben.
Wer angesichts dieser Leistungen nach noch mehr ruft, dürfte die Tatsachen nicht kennen.
Dazu kommt, dass etwa 15,9 Prozent der bis 74-Jährigen (197.600 Männer und Frauen), die eine Alterspension beziehen, zumindest zeitweise erwerbstätig sind. Mit der von mir forcierten Flat Tax für freiwilliges Arbeiten in der Pension, die im Regierungsprogramm festgeschrieben ist, wird sich diese Zahl erhöhen – weil den Menschen mehr Netto vom Brutto bleiben wird.
Generationen nicht gegeneinander ausspielen!
Die Gefahr bei der Diskussion über ein Pflichtsozialjahr für Pensionistinnen und Pensionisten ist auch, dass der Generationenkonflikt nicht gelöst, sondern verstärkt wird. Dass es mehr Gegen- statt Miteinander gibt. Und das brauchen wir angesichts der schwierigen Lage im Lande nicht!